#Cryptoleaks – Aufklärung ist nötig!Lesedauer ca. 4 Minuten

Die Recherchen der SRF-Rundschau, des ZDF und der Washington Post zu Cryptoleaks lassen eine riesige Spionageoperation vermuten. Allerdings geht es nicht nur um eine Geschichte aus dem kalten Krieg. Sondern die Operation soll bis 2018 gedauert haben.

Die Profiteure: Die USA und der deutsche Bundesnachrichtendienst. Die Überwachten: Über hundert Staaten rund um die Welt. Die Tarnung: Die Firma Crypto AG in der angeblich neutralen Schweiz. Die List: mit Hintertüren versehene Verschlüsselungsgeräte. Die Voraussetzung: das lasche Schweizer  Waffenexport-Regime Der Clou: Die Überwachten zahlten den Überwachern noch Milliarden. Die Fragen: Wer wusste wann was in der Schweiz? Wie lange ging die Operation – und ging sie bis heute weiter? Und welchen Schaden richtet das gerade für die Rolle der Schweiz als neutrale Vermittlerin in der Aussenpolitik an? Wie konnten die Zuständigen diese massive Aushöhlung der Schweizer Souveränität zulassen oder gar gutheissen?! Und wie weit sind auch Personen, die heute noch in Amt und Würden sind, verwickelt?

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Die Geschichte um die Crypto AG tönt zuerst wie eine Geschichte aus dem kalten Krieg. Und dann hat sie offenbar auch begonnen. Einiges davon ist auch schon bekannt. Vermutungen, dass die Crypto AG in Spionageaktivitäten verwickelt sei, sind nicht neu. Eine Rundschausendung am 23.3.1994 hatte die Affäre Bühler aufzuarbeiten versucht. Der Autor Res Strehle hatte im Buch „Verschlüsselt. Der Fall Bühler“ Bühlers Geschichte erzählt. Allerdings ohne letztlich schlüssige Beweise. Auch die Alternativen Zug hatten die Crypto AG politisch im Visier. 2015 dann veröffentlichte der ehemalige Rundschau-Redaktor Frank Garbely auf Infosperber Updates zum Rundschaubericht von 1994 – dank damals bekannt gewordener Unterlagen der NSA.

Brisante neue Elemente

Brisant sind allerdings verschiedene neue Erkenntnisse aus nun neu geleakten CIA-Dokumenten.

  1. Die Operation Crypto AG soll – jedenfalls gemäss dieser internen „Geschichtsschreibung“ von CIA und BND – offenbar fast bis heute weitergegangen sein. Wenn die Operationen bis 2018 oder vielleicht auch bis heute weiter gegangen ist, dann heisst das auch: Das Ganze ist nicht nur eine historische Geschichte. Und die Schweiz als Land ist einer fundamentalen Erschütterung ausgesetzt.
  2. Die Operation soll dem Schweizerischen Nachrichtendienst bekannt gewesen sein und auch Bundesrat Villiger sei informiert gewesen – was dieser (allerdings mit mehrdeutigen Aussagen) heftig dementiert.
  3. Die Bundespolizei soll aktiv mitgeholfen haben, dass die Untersuchung um die Crypto im Sand verlaufen ist. Untersuchungsleiter damals: Der heutige NDB-Vize Bühler.

Wenn unter Mitwissen der offiziellen Schweiz möglicherweise sogar vom Bundesrat über Jahrzehnte Hintertürchen verkauft werden, um die sichere Kommunikation von anderen Staaten abzuhören, dann untergräbt dies ein Fundament unseres aussenpolitischen Selbstverständnisses und unserer Souveränität: dass die Schweiz dank ihrer Neutralität in Konfliktfällen als Kleinstaat erfolgreich ihre guten Diensten anbieten kann. Das ruft natürlich nach glaubwürdiger Aufklärung. Ich frage mich, ob das anders passieren kann als durch eine Parlamentarische Untersuchungskommission?
— Balthasar Glättli, Fraktionspräsident GRÜNE

Ebenfalls wenig diskutiert wird, dass nicht nur die Neutralität (als Verkaufsargument) ein wesentlich Grund dafür war, dass die Crypto AG überhaupt in der Schweiz angesiedelt wurde. Auch das lasche Exportregime der Schweiz bei Waffen und Dual-Use Gütern war ein Grund dafür, die Crypto AG überhaupt in der Schweiz zu domizilieren. Während in den meisten anderen Ländern, auch im neutralen Schweden, Krypto-Technologie restriktiven Exportbeschränkungen unterlag – gerade auch was Exporte in Länder betraf, die in Konflikte verwickelt waren -, ist dies in der Schweiz anders gewesen.

Die Geschichte betrifft die Souveränität unseres Landes, besonders aber die Glaubwürdigkeit gerade der neutralen Schweiz und ihrer guten Dienste in der Aussenpolitik – und dies im Zusammenhang mit der Schweizerischen Tradition, auch in Problemstaaten Waffen und Dual-Use Güter zu exportieren.

Brisant in diesem Zusammenhang: Markus Seiler, der Direktor des Nachrichtendienstes von 2010 bis 2017 und frühere VBS-Generalsekretär (2005-2010) ist seit 1. Dezember 2017 Generalsekretär der Aussendepartements EDA unter Ignazio Cassis.

Und ebenfalls brisant: Der heutige Nachrichtendienst-Vize Jürg Bühler war der gleiche, der in den 90er Jahren die im Sande verlaufenen BuPo-Untersuchungen führte…

Dieser Beitrag wurde aktualisiert:
12.02.2020 13h45 textliche Updates (redaktionell) und neu einen Link auf mein Watson-Interview sowie 10vor10 Beitrag eingebunden
27.02.2020 17h Ergänzung zu den neuen Punkten von Cryptoleaks